In Concert
Ein Erlebnisbericht eines Unbeteiligten
Der beste Freund von allen ist "Fan".
So ein richtiger, versteht sich! Seit Kindheitstagen schwärmt er von
dieser Gruppe mit dem drolligen Namen. "Pink Floyd". Klar, man kennt die
irgendwie. Immer, wenn im Fernsehen ein Flugzeug über Wolken schwebend zu
sehen ist, erklingt automatisch das "Shine on you crazy diamond" - Theme.
Mein Freund hat sogar noch mehr Platten von denen. Um ehrlich zu sein, er
hat mehr, als es eigentlich gibt. Das sind die von ihm heißgeliebten
"bootlegs", schwarze Scheiben, auf denen die 30. Kopie des Bandes gepreßt
wurde, das ein Fan 1968 in der hintersten Reihe der Royal Albert Hall mit
dem Diktiergerät aufgenommen hat. Es ist ziemlich schwierig, die
mechanischen Störungen des Mediums von den genialen elektronischen
Verfremdungen der Musiker zu unterscheiden, vor allem wenn der Nachbar des
unbekannten Raubkopieres mit bestem Cockney Slang in das Mikro grölt oder
in die Hände klatscht.
Dermaßen vorgebildet, konnte ich seinem Drängen zu einem Konzertbesuch (Konzert???)
der Gruppe natürlich nicht widerstehen. Seinen Weisungen gemäß erreichten
wir die Stätte des Ereignisses vier Stunden vor Veranstaltungsbeginn, und
mischten uns in die Menge der freibadähnlich lagernden Fans auf dem sonst
umkämpften Rasen des Müngersdorfer Stadions. Daß wir einen Stehplatz
gebucht hatten, merkte man zwei Stunden später, als die
Lautsprecherdurchsage zum Vorrücken aufforderte, um den nachströmenden
weiteren 20000 Besuchern Platz zu machen. Zunehmende Nervosität breitet
sich aus. Das Einschalten eines Verstärkers ruft einen 135 Dezibel-Knacks
hervor, der mit anhaltendem Beifall begrüßt wird. Einige Fans, die ihren
Afghanen frühzeitig aufgebraucht haben, versuchen dem Nachhall Extase
abzugewinnen und müssen wegen zu großen Flächenverbrauchs entfernt
werden.
Die Techniker schaffen es irgendwie, die Sonne majestätisch hinter der
Bühne verschwinden zu lassen und dann - dann fällt erstmal ein 20 x 40 m
großer Vorhang, der bisher die Lautsprecher verhüllt hatte. Die Menge
kreischt und setzt zum tobenden Applaus an, den die mit Marshall und
ähnlichen seltsamen Namen beschrifteten Akustikgeräte relativ ungerührt
zur Kenntnis nehmen. In der Aufregung merkt kaum jemand, daß der Organist
der Combo, ein gewisser Herr Wright, bereits minutenlang den Grundton des
oben erwähnten Liedes intoniert, und als es in die Gehörgänge dringt, ist
es für Beifallskundgebungen zu spät, denn der sysop, oder wie diese Männer
an den Schaltpulten heißen, hat endlich volle Leistung auf die Anlage
gegegeben, sodaß eine startende Boeing lautlos neben dem Stadion hätte
abheben können.
Einem zu weit vorn stehenden älteren Besucher wird das Toupet vom Kopf
geweht, doch nimmt niemand Kenntnis von ihm. Auch der beste Freund von
allen hat einen glasigen Blick bekommen und bemerkt meine Unruhe nicht,
die durch die Verbindung eines 10 Hertz-Tons und einem unterbliebenen
Toilettenbesuch zustandekommt. Auf der Bühne zucken apokalyptische Blitze
und beleuchten D. Gilmour, einen älteren Herrn mit ähnlich kargem
Haarwuchs wie ich, der dank ausgefeilter Technik die Schwingungen seiner
Wandergitarre bis zur Domplatte überträgt. Allenthalben wird fleißig Nebel
mit anscheinend besonders großen Zigaretten erzeugt, der die
zugeschalteten Laser besser zur Geltung bringt. Die Veranstaltung scheint
von der Bauerninnung gesponsert zu werden, denn minutenlang schwebt ein
großes Schwein über den Köpfen hinweg, allerdings ohne Werbeaufschrift.
Irgendwann falle ich mehr oder weniger in ein Koma und werde erst wieder
wach, als die Menge zum Ausgang drängt. Die Nacht ist seltsam ruhig! Mein
Freund bewegt die Lippen und ich nicke anstandshalber, um nicht unhöflich
zu sein. Das Gehör soll ja regenerationsfähig sein.
Auf dem Nachhauseweg lächle ich nachsichtig über die ärmliche Lightshow,
die an jeder Straßenecke geboten wird und nehme dank meines Ohrensausens
nicht die entsetzten Schreie meiner Mitfahrer wahr. Doch, es war nett.
Wahrscheinlich höre ich das "Bootleg"-Album jetzt auch ohne diese
störenden Knistergeräusche!
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